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Urteil: Bundesregierung muss Windprojektierer entschädigen

20. August 2020
 
Ohne eine Entschädigung für entgangene Planungs- und Untersuchungskosten ist das Windenergie-auf-See-Gesetz verfassungswidrig. Das geht aus einem Urteil hervor, das das Bundesverfassungsgericht nun veröffentlichte. Das Bundeswirtschaftsministerium sieht sich durch die Entscheidung dennoch bestärkt.
 
Hintergrund ist die Umstellung der Verfahren bei der Offshore-Windkraft auf das sogenannte zentrale Modell mit dem Windenergie-auf See-Gesetz im Jahr 2017. Die Flächenplanung liegt seitdem in staatlicher Verantwortung, Projekte werden jeweils ausgeschrieben, das gesamte Verfahren mit dem Netzausbau abgestimmt. Unternehmen, die bereits Projekte nach dem alten Rechtsrahmen entwickelt hatten, traten ihre Rechte an den Staat ab. Im Gegenzug erhielten sie dafür ein Eintrittsrecht. Dies sicherte ihnen in den Ausschreibungen den Zuschlag für das entwickelte Projekt.
 
Einige Unternehmen, die noch unter der Seeanlagenverordnung mit der Projektentwicklung begonnen hatten, klagten dennoch. Dazu zählt die Bremer WPD, deren Offshore-Park "Kaikas" bereits 2013 eine Genehmigung durch das BSH erhalten hatte, aber dennoch von den Offshore-Ausschreibungen ausgeschlossen wurde. Hintergrund: Das BSH hatten entschieden, Planfeststellungsverfahren für Projekte in den Zonen 3 bis 5, in denen auch "Kaikas" liegt, nicht fortzuführen, weil die Aussicht auf einen Netzanschluss fehle. WPD hatte nach einigen Angaben bereits einen zweistelligen Millionenbetrag investiert.
 
Bei ihrer Klage beriefen sich die Unternehmen auf den Gleichheitsgrundsatz und die Berufs- und die Eigentumsfreiheit des Grundgesetzes. Dem gaben die Richter nun in Teilen statt (Akt: 1 BvR 1679/17, 1 BvR 2190/17). Das Windenergie-auf-See-Gesetz entfalte eine "unechte Rückwirkung", die verfassungsrechtlich nicht vollständig gerechtfertigt sei. "Den Beschwerdeführerinnen müsste ein finanzieller Ausgleich für die notwendigen Kosten ihrer Planungen und Untersuchungen gewährt werden", urteilten sie.
 
Gesetz nicht nichtig
Das Bundesverfassungsgericht stellte aber klar, dass das Gesetz nicht in Gänze nichtig ist. Das verfassungsrechtlich zu beanstandende Defizit betreffe gemessen an der Gesamtregelung nur einen Randbereich. Die Bundesregierung muss nun eine Ausgleichsregelung vorlegen. Die Richter setzten dafür eine Frist bis zum 30. Juni 2021.
 
Die Reaktion auf das Urteil fielen unterschiedlich aus. Achim Berge Olsen, COO von WPD, betonte, durch das Urteil fühle sich das Unternehmen zwar darin bestätigt, dass die Ausgrenzung von "Kaikas" nicht rechtmäßig gewesen sei. Mit einer finanziellen Entschädigung ist WPD aber nicht wirklich zufrieden. "Schließlich wollen wir Projekte bauen", so Berge Olsen.
 
Das Bundeswirtschaftsministerium reagierte dagegen positiv. Die Umstellung auf das zentrale System sei mit dem Grundgesetz vereinbar und werde durch das Urteil bestätigt, hieß es. Die für 2021 geplanten Offshore-Ausschreibungen könnte wie geplant starten. Das Ministerium prüft zudem, ob die von den Verfassungsrichtern geforderte Entschädigungsregeln bereits in der laufenden Novelle des Windenergie-auf-See-Gesetz untergebracht werden. Diese befindet sich aktuell im parlamentarischen Verfahren.
 
Offshore-Verband warnt vor weiteren Rechtsstreitigkeiten
Diese Novelle könnte nach Ansicht des Branchenverbandes BWO erneut dazu führen, dass Recht von Investoren nachträglich beschnitten werden, hieß es in einer Reaktion auf das Urteil. Hintergrund ist das neue Auktionsverfahren, nach dem Betreiber bei Nullgeboten eine zusätzliche Zahlung (zweite Gebotskomponente) leisten müssen, um den Zuschlag zu erhalten. "Die Einführung einer zweiten Gebotskomponente würde unserer Rechtsauffassung nach das Eintrittsrecht im Nachhinein entwerten, da sie die Wirtschaftlichkeit und somit die Realisierungswahrscheinlichkeit von Projekten erheblich mindert“, erklärte Stefan Thimm, Geschäftsführer des BWO. Anfang September wird sich der Wirtschaftsausschuss des Bundestages mit der Novelle befassen.
 
 
Quelle: energate