50 Hertz: Mehr Erneuerbare mit weniger Redispatch
09. März 2020
Der Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz verzeichnete in seinem Netzgebiet im Jahr 2019 ein Rekord bei der Einspeisung von erneuerbaren Energien. Gleichzeitig fielen jedoch weniger Kosten für Netzeingriffe an.
Insgesamt lag der Anteil der Erneuerbaren am Jahresstromverbrauch im 50-Hertz-Gebiet laut der Jahresbilanz 2019 bei rund 60 Prozent. Ein Plus von fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die windreichen Wetterlagen seit Jahresbeginn trieben den Anteil im Januar und Februar 2020 sogar auf 70 Prozent, betonte 50-Hertz-CEO Stefan Kapferer in Berlin.
Die Kosten für die Abregelung von Anlagen gingen dagegen im vergangenen Jahr weiter zurück. Zahlte der Übertragungsnetzbetreiber 2015 noch 354 Mio. Euro für das zeitweilige Abschalten von Erneuerbarenanlagen, waren es 2019 nur noch 84 Mio. Euro. Offenbar reagieren Betreiber von Kohlekraftwerken inzwischen schneller auf ein Überangebot am Strommarkt. "Die Anlagen werden flexibler gefahren", sagte Kapferer. Die Betreiber hätten kein Interesse daran, ihren Strom mit Abschlägen zu vermarkten.
Planungen für Kohleausstieg
Neben dem Zubau von erneuerbaren Energien muss sich das Unternehmen auch auf den Wegfall von Kohlekapazitäten einstellen. Laut aktuellen Planungen ist die erste Abschaltwelle zwar für Standorte im Westen vorgesehen. "Wir müssen uns aber auch darauf einstellen, dass es schneller geht, etwa wenn Anlagen nicht mehr rentabel sind", so Kapferer. Zu klären sei dann, woher bei einem Wegfall von Kohleanlagen Systemdienstleistungen kommen und ob es Ersatzkapazitäten, etwa in Form von neuen Gaskraftwerken gibt.
Unklar ist zudem, wann sich die Steinkohleanlagen im Versorgungsgebiet des Übertragungsnetzbetreibers im Hamburger Stadtteil Moorburg und in Rostock an den geplanten Ausschreibungen für das Abschalten beteiligen. Kapferer äußerte die Erwartung, dass sich der Betreiber des Rostocker Kraftwerks nicht an einer frühen Runde beteiligen werde.
Stromverbrauch: Schlüsselfaktor Industrie
Eine Unbekannte in der Vorausschau bleibt der Stromverbrauch. Aktuell geht 50 Hertz von einem leichten Anstieg bis 2030 in seinem Netzgebiet aus. "Wenn aber Tesla in Brandenburg dazukommt, wird sich das auswirken", so Kapferer. Die geplante Fabrik des Elektroautobauers in Grünheide könnte einen zusätzlichen Bedarf auf dem Niveau der Stadt Leipzig verursachen. Generell ist die Industrie laut Kapferer der entscheidende Faktor der Entwicklung beim Stromverbrauch und weniger die Elektromobilität. "Dekarbonisieren sich die Unternehmen über Wasserstoff oder über die direkte Nutzung von erneuerbaren Energien, das ist eine Schlüsselfrage", sagte er.
In den kommenden vier Jahren will 50 Hertz mehr als vier Mrd. in neue Anlagen in seinem Netzgebiet investieren. Im Vergleich zu den vergangenen vier Jahren ist dies eine Steigerung von 25 Prozent. Die Investitionen kann das Unternehmen dabei mit soliden Finanzen angehen. Im vergangenen Jahr erzielte 50 Hertz ein Ergebnis von 178 Mio. Euro, nach 238 Mio. Euro im Jahr 2018. 60 Prozent der Mittel für die Investitionen sollen extern eingeholt werden, geplant ist dafür ein Green Bond im laufenden Jahr mit einem Volumen von 750 Mio. Euro.
Binationale Offshore-Anbindung
Neue Wege geht 50 Hertz mit der Inbetriebnahme eines Seekabels, welches Offshore-Windparks in zwei Ländern, Deutschland und Dänemark, verbinden soll. EU-rechtlich sind solche binationalen Projekte nur mit Ausnahmegenehmigungen möglich. Vertreter der Offshore-Branche hoffen hier allerdings auf eine Reform des Rechtsrahmens. Ihnen schweben Windparks auf dem Meer vor, die in mehrere Märkte einspeisen.
Wie schwierig und langatmig der Netzausbau bleibt, zeigt sich am Beispiel der Uckermark-Leitung, die vom nördlichen Brandenburg Richtung Berlin führen soll. Das Vorhaben stockt seit Jahren. Nach wie vor wartet 50 Hertz auf die Genehmigung durch das zuständige Landesamt. CEO Stefan Kapferer konnte dazu bei der Vorstellung der Bilanz keinen neuen Stand berichten.
Quelle: energate